In der Krise: Zwei Köche und ihr Vier-Gänge-Menü

Bei Christiane Fuchs und Mario Furlanello gibt es Gaumenfreuden und viel Gutes für die Nase. Aber - hier muss mann und frau selbst kochen. Die beiden haben eine Kochschule, ein Mittel gegen Krisen jeglicher Art.

Auf die Krise ein Vier-Gänge-Menü. Christiane Fuchs und Mario Furlanello bitten mit ausgebreiteten Armen durch den lichten Flur der einstigen Parfüm- und Seifenfabrik im Hinterhof der Bornheimer Landwehr 46. Seife und Parfüm sind längst vergessen in dem 155 Quadratmeter großen Fabrikloft, dessen breite Fensterfront den Blick auf Sonnenterrasse und Garten frei gibt. Zwei lange dunkle Tischreihen stehen in der weißgetünchten Halle, weiße Kugellampen hängen wie dichte Lampionketten von der Decke. Und knallrot glänzt, was alles bestimmt, Herzstück der ganzen Unternehmung ist: die langgezogene moderne Kücheninsel. Menufaktur eben.

Hier wird gekocht, gerührt, gezaubert. Jede Köstlichkeit kommt frisch vom Herd auf den Tisch und eine jede ist vom ersten bis zum letzten Schritt von Hand gemacht. Nudeln, Gnocchi, Farcen, Suppen, Soßen und Dessert – seit Juni 2007 ist das Christiane Fuchs" und Mario Furlanellos ganz persönliche Antwort auf die Krise. Ihre eigene eingeschlossen. Beiden war klar, dass sie mit ihren studierten Berufen – Juristerei und Architektur – niemals Geld verdienen, geschweige denn glücklich würden. Bei Christiane Fuchs war Jura die falsche Wahl, bei Mario Furlanello der Markt bei Architekten grad hoffnungslos übersättigt, als er sein Diplom in der Tasche hatte.

"Aber Kochen und gut essen stand bei uns ohnehin schon immer ganz obenan", sagt Furlanello. Der Sohn spanischer und italienischer Eltern hatte schon als Kind der Großmutter beim Pastakochen an den Fersen gehangen, als Schüler in einer Pizza-Kette gejobbt, als Student bei Gourmetköchen mit am Herd gestanden und wurde dank dieser Praxis als "Externer" zur Gesellenprüfung als Koch zugelassen. Also Kochen. "Und die richtige Nische suchen", sagt Christiane Fuchs. Generalstabsmäßig haben sich die beiden an die Planung gemacht.

Sie wollten etwas völlig Neues hochziehen

Restaurant schied aus. Zu viele Auflagen, zu hohe Investition für Kühl- und Lagerräume oder Personal, zu wenig Manpower nur zu zweit und zu langweilig, "weil es nur noch eines von vielen mehr gewesen wäre", sagt Furlanello. "Wir wollten wirklich was völlig Neues hochziehen." So kam die Idee, die Gäste selbst kochen zu lassen. Oder anders formuliert: eine Kochschule zu gründen. Natürlich nicht irgendeine: Die beiden haben den Anspruch, das Handwerk Kochen wieder ins Bewusstsein zu bringen. Das Wissen um Lebensmittel, Techniken der Zubereitung, der Auswahl und Zusammenstellung. Alles soll selbstgemacht sein, Fertigprodukte aus der Industrie sind verpönt – keine Soße kommt aus der Tüte, keine Würzmischung aus dem Glas und jedes geschlachtete Tier nur als Ganzes auf den Tisch.

Für Furlanello ist das auch die Antwort, die er jedem Hartz IV-Empfänger mit auf den Weg geben würde. "Wenn ich weiß, was ich mit Gemüse oder Fleisch alles anstellen kann und was beim Kochen damit passiert, komm’ ich mit weniger zu mehr Mahlzeiten und esse besser." Statt fertig gewürzten Hühnerbrüsten für 2,99 Euro beim Discounter auf den Tisch zu bringen, lassen sich aus einem ganzen Huhn für fünf Euro mit Brust, Keulen, Gerippe und Hühnerklein für Soßen oder Suppe mit etwas Geschick fünf Mahlzeiten zaubern. Gleiches gelte für Gemüse. Abfall gibt es nicht bei Furlanello und Fuchs – am Ende geben Schalen, Stiele, Strünke noch eine würzige Farce oder Gemüsebrühe ab.

Mit ihren Erkenntnissen und Kochkursen richten sie sich allerdings nicht an Hartz IV-Empfänger, sondern an alle, die sich bewusst ernähren und mit Genuss essen und feiern wollen. Letzteres haben sie von Anfang an als zweites Standbein für ihre Menufaktur gewählt: Den schicken Gourmetloft vermieten sie an Festgesellschaften und Firmen, die sich wahlweise von Furlanello und Fuchs schauküchenmäßig à la "Lanz kocht" verwöhnen lassen oder als Gag oder betriebsinterne teambildende Maßnahme selbst zum Kochlöffel greifen.

"Wir sind damit voll in eine Nische gestoßen", sagt Christiane Fuchs. "Locations für private Feiern sind total schwer zu finden." 2008 hat das kochende Duo prompt den Gründerpreis der Stadt Frankfurt für ihre Menufaktur bekommen. Lohn für großen Einsatz: Lange haben die beiden einen geeigneten Raum gesucht und die alte Fabrikhalle, die lange von der Frankfurter Werkgemeinschaft genutzt wurde, erst mal von Grund auf saniert. Gleichfalls mit den eigenen Händen, um Geld zu sparen. Denn eines war ihnen gleichfalls klar: "Wir wollten keine Abhängigkeit von Banken". So haben sie erst mal 50 Kubikmeter Schrott aus der Halle geräumt, Estrich gelegt, Wände gespachtelt, geweißelt, den Boden gefliest. Allein mit ihrem Netzwerk an Freunden.

"Netzwerke sind ungemein wichtig", sagt Christiane Fuchs. All ihre Planungen haben sie rückgekoppelt mit Freunden und Bekannten, "weil Außenstehende immer noch mal nen anderen Blick haben, Ideen einspeisen oder Kontakte", sagt Furlanello. Am Netzwerk knüpfen sie weiter und haben im eigenen Haus die ideale Besetzung gefunden. In den Räumen oben drüber sind Werbeagenturen, ein Architekt und eine Computerfirma eingezogen. Gegen ein gutes Essen wird mal ein Flyer entworfen oder bei der Homepage geholfen. Und dank Gründerpreis und Kontakt zum Existenzgründungsinstitut Compass haben sich Fuchs und Furlanello mit anderen Gründern zusammengeschlossen.

"Im Kinderschuhladen liegen unsere Flyer aus und umgekehrt. Und mit dem neuen Yogazentrum wird nun ein Kurs mit ayurvedischer Küche aufgelegt." Und die Ideen sprudeln weiter, die beiden denken schon an eine eigene Produktlinie mit selbstgemachten Fonds, Essenzen und Marmeladen. "Nur mit immer Neuem geht es", sagt Furlanello. "Mit dem 40. Handyladen oder Internetcafé hat man keine Chance."

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